Wohin entwickelt sich das Pustertal?

17.10.2018

Gespräch mit Ex-Agrarlandesrat und Altsenator Hans Berger und dem Präsidenten der Lokalen Aktionsgruppe Pustertal Manfred Vallazza über das EU-Förderprogramm LEADER.

Das aktuelle LEADER Programm zur Stärkung der ländlichen Entwicklung läuft noch bis 2020. Hans Berger und Manfred Vallazza ziehen ein Zwischen-Resümee und blicken dabei auch auf die Anfänge des LEADER Programms im Ahrntal zurück.

Wie würden Sie die Anfänge des LEADER Programms im Pustertal beschreiben?

Hans Berger: Das Ahrntal machte die ersten Erfahrungen mit dem LEADER+ Programm. Für zwei Förderperioden war das Ahrntal Programmgebiet mit dem Ziel strukturschwache Gebiete zu fördern. Diese territoriale Einschränkung war sicherlich gut und wichtig und hatte zahlreiche positive Effekte hinsichtlich Weiterbildung- und Wissensvermittlung, der Förderung landwirtschaftlicher Direktvermarktung, der Dorfgestaltungen und einigem mehr. Damals zog ein positiver Wind durch die Talschaft mit der Lust Synergien zu nutzen und gemeindeübergreifend Projekte umzusetzen.
Manfred Vallazza: Das aktuelle LEADER Programm wurde auf das gesamte Pustertal ausgeweitet. Heute sind anstelle von 5 Gemeinden insgesamt 26 Gemeinden Teil des Programmgebiets im Pustertal. Die Anfänge in dieser neuen Förderperiode waren nicht einfach, doch hat sich nun vieles zum positiven entwickelt. Das neue Kompetenzzentrum „Regional Management Pustertal“ ist nun zentrale Anlaufstelle und hat sich bereits gut etabliert. Zu Beginn wurden noch recht zögerlich um Förderungen angesucht, doch mittlerweile sind bereits 19 Projekte vom Projektauswahlgremium genehmigt worden und in etwa sieben weitere Projekte befinden sich aktuell in Ausarbeitung.

Was würde im Pustertal fehlen, wenn es heute kein LEADER Programm gäbe?

Manfred Vallazza: Meiner Meinung nach würde ohne das LEADER Programm ein wichtiger Ansporn verloren gehen unsere Gemeinden und Talschaften weiterzuentwickeln. Durch das Programm werden neue und andere Projekte auf den Weg gebracht, die nicht an der Gemeindegrenze halt machen, sondern ihre Wirkung übergemeindlich erzielen.
Hans Berger: LEADER kann die Entwicklung eines Gebietes nicht soweit beeinflussen, dass überleben und Untergang damit zusammenhängen. Dennoch kann man sagen, dass LEADER eine positive Entwicklung unterstützt. Die Ergebnisse aus den zwei LEADER Perioden im Ahrntal sind bis heute sicht- und spürbar. Ohne derartige Förderungen würden vor allem übergemeindliche Ideen nicht vorangetrieben werden.

 

Welche Herausforderungen für die Entwicklung des ländlichen Raumes gibt es Ihrer Ansicht nach im Pustertal?

Manfred Vallazza: Es gibt sicherlich noch viele Baustellen, die Schritt für Schritt angegangen werden müssen. Ein wichtiges Thema ist sicherlich Landwirtschaft, Tourismus und Handwerk miteinander zu vernetzen. Das was Südtirol und das Pustertal ausmachen, ist der reiche Schatz an regionalen Produkten. Ob Rüben, Kraut oder Kunsthandwerk, die Produktpalette ist vielfältig und der moderne Gast sucht nach dem Besonderen. Ein weiterer wichtiger Teil unserer Kultur ist die Berglandwirtschaft und die zahlreichen Bergbauernhöfe, sie gehören zum Landschaftsbild und dürfen nicht verloren gehen. Die denkmalgeschützten Gebäude sind Aushängeschild unserer Region, sie gilt es zu erhalten. Zu fördern ist sicherlich die Stärkung übergemeindlicher Projekte. Es kann viel Geld eingespart werden, wenn Wegesanierungen, Museen etc. gemeinsam geplant und umgesetzt werden.
Hans Berger: Eine der Herausforderungen besteht sicherlich darin, die peripheren ländlichen Gebiete lebendig und besiedelt zu halten. Hier muss auch die öffentliche Verwaltung Schritte setzen, die der Zentralisierung entgegenwirken. Die Digitalisierung ist an sich eine tolle Sache, nur führt sie dazu, dass die zwischenmenschlichen Kontakte weniger werden und öffentliche Verwaltungen dazu tendieren alles online zu erledigen. Der ländliche periphere Raum muss enorm aufpassen, damit Arbeitsplätze nicht verschwinden, die Pendlerrate steigt und Dörfer zu Schlafstätten werden. Lebensmittelgeschäfte und Dorfgasthäuser müssen erhalten und Dorfkerne lebendig bleiben.

 

Wie sehen Sie die Zukunft des LEADER Programms für das Pustertal, welche Weiterentwicklungen braucht es?

Hans Berger: An erster Stelle benötigt es einen Bürokratieabbau welcher von den bürokratischen Instanzen verursacht wird. Brüssel legt die Rahmenbedingungen fest und stattet diese mit Spielregeln aus. Zudem ist ein Teil der Bürokratie hausgemacht durch Staat und Land. Aktuell bremst der unsinnige Aufwand an Kontrolltätigkeiten Initiativen enorm ein. Jetzt bereits kommen kaum noch Impulse von Seiten der Basis und sollte es so weitergehen, wird LEADER aus der nächsten Programmperiode gestrichen. Abwicklungs- und Abrechnungsprozedere müssen dringend vereinfacht werden. Wichtig ist jedenfalls, die übergemeindlichen Initiativen weiter zu unterstützen und zu fördern wie etwa das Thema Mobilität im Pustertal.
Manfred Vallazza: Dem kann ich nur zustimmen, es ist von zentraler Wichtigkeit, dass System der Projekteinreichungen zu vereinfachen. Das Regional Management Pustertal führt laufend Gespräche mit PustertalerInnen, welche wirklich spannende Ideen haben. Viele trauen sich nicht über den Bürokratieberg, das muss sich verbessern! Einen wichtigen Schritt in die Zukunft haben wir bereits gesetzt, das Kompetenzzentrum für Regionalentwicklung „Regional Management Pustertal“ wurde ins Leben gerufen und soll über die Förderperiode hinaus als konstante und kompetente Anlaufstelle erhalten bleiben. Für eine nächste Förderperiode würde ich mir als Präsident der Lokalen Aktionsgruppe Pustertal wünschen, dass Fördergelder proportional zugeordnet werden und dem Pustertal mehr Fördergelder zur Verfügung stehen um auch große übergemeindliche Projekte angehen zu können.

 

Was möchten Sie den PustertalerInnen in Punkto Regionalentwicklung mit auf den Weg geben?

Hans Berger: Viele verwechseln das LEADER Programm mit einer Investitionsförderung. Das ist es nur am Rande. Vielmehr handelt es sich um ein Aufbauprogramm, durch welches innovative Konzeptarbeiten, Machbarkeitsstudien etc. gefördert werden können. Die IdeenträgerInnen sollen sich auf die wichtigen Inhalte ihrer Projekte konzentrieren können, ohne sich in der Bürokratie zu verlieren. Denn die Inhalte sind der Motor für die Entwicklung des Pustertals. Es ist wie bei einer Quelle, die an ihrem Ursprung viel Potential entfaltete und im Zuge zahlreicher Verzweigungen nach und nach versickert. Auf die Quelle sollte man sich wieder besinnen.
Manfred Vallazza: Ich kann nur empfehlen trotz aller Widrigkeiten die bestehenden Projektideen weiterzuentwickeln und anzugehen. Sie sind ein zentraler Motor für das Pustertal. Stehenbleiben ist keine Option.


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